Stellungnahme von Prof. Dr. Martin Geisler, GMK-Landesgruppe Thüringen
Am 20.02.2017 fand der „Runde Tisch Medienkompetenz Thüringen“ in Erfurt seinen Abschluss. Über eineinhalb Jahre tagten und diskutierten Politiker*innen, Fachleute und Interessierte aus dem ganzen Bundesland über die spielerische Stärkung von Lesekompetenz, über aktuelle Herausforderungen der Medienbildung in der Sozialen Arbeit, die Bedeutung der Medienbildung für Eltern und Familie, über Datenschutz sowie Aus-, Fort- und Weiterbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Initiiert wurden die Veranstaltungen durch das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport sowie der Thüringer Staatskanzlei.
Ergebnisse sind nun eine „Kooperationsvereinbarung Thüringer Ministerien“ und anderer Vertreter*innen der Medienbildung im Freistaat, gefolgt von einem „Medienbildungskonzept 2020“. Man verpflichtet sich, die unterschiedlichen Angebote der Medienbildung besser zu verzahnen und auf den digitalen Wandel der Gesellschaft auszurichten. Die Unterzeichner sind die Thüringer Staatskanzlei, die Ministerien für Bildung, Wirtschaft, Soziales, Finanzen sowie das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, die Landesmedienanstalt sowie der Landesbeauftragte für den Datenschutz. Warum nicht die Vielfalt der im Thüringer Medienbildungsbereich existierenden Institutionen und Einrichtungen einbezogen wurde (auch Vereine, Verbände, Hochschulen etc.), erschließt sich vielen Praxispartnern und -partnerinnen jedoch nicht.
Zur Abschlussveranstaltung dankte Thüringens Bildungsstaatssekretärin Gabi Ohler allen, die sich aktiv am „Runden Tisch Medienkompetenz“ beteiligten. Sie sagte: „Im Rahmen einer intensiven Debatte haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren viele gute Ideen gesammelt. Jetzt gilt es, die Kräfte zu bündeln, um der Medienbildung in Thüringen als Schlüsselqualifikation zur gesellschaftlichen Teilhabe einen neuen Impuls zu verleihen. Das umso mehr, da uns der digitale Wandel vor tiefgreifende Herausforderungen stellt.“
Medien-Staatssekretär Malte Krückels unterstrich: „Knapp eineinhalb Jahre nach Beginn des ‚Runden Tisches Medienkompetenz‘ liegt ein erstes konkretes Ergebnis vor: Die Landeskooperationsvereinbarung Medienkompetenz betont die Bedeutung des Themas für Thüringen in der digitalen Gesellschaft. Die Ergebnisse des ‚Runden Tisches Medienkompetenz‘ sollen auch in die Digitalstrategie des Freistaats Thüringen einfließen, die vom Thüringer Wirtschaftsministerium derzeit erarbeitet wird. Außerdem geht im Thüringer Bildungsministerium die Arbeit an einem konkreten Medienbildungskonzept weiter. Das Papier soll im Sommer präsentiert werden.“
Die Kooperationsvereinbarung enthält zahlreiche Maßnahmen, wie die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, Familien, von Lehrkräften, Erziehenden und pädagogischen Fachkräften gestärkt werden soll. Einig ist man sich darin, dass die Vermittlung von Medienkompetenz in den Kindertagesstätten beginnt. „So früh, wie Medien im Leben von Kindern eine Rolle spielen, so früh kann und sollte eine Orientierung im Umgang damit erfolgen und die Aneignung von Medienkompetenz sowie die Verarbeitung persönlicher Medienerfahrungen aktiv unterstützt werden“, heißt es in der Vereinbarung. Medienkompetenzentwicklung wird als ein Bestandteil des Lernens von den Kindertageseinrichtungen bis hin zu den Hochschulen verstanden. In den Schulen sollen die Lehrpläne der Unterrichtsfächer aller Bildungsgänge in allen Schularten systematisch auf inhaltliche Anknüpfungspunkte zur Medienkompetenzentwicklung analysiert und auf die zukünftigen Herausforderungen zugeschnitten werden. In allen drei Phasen der Lehrerbildung werden systematische Angebote für eine Grundbildung Medien erarbeitet und bestehende aktualisiert.
Zur Einsicht findet sich die Kooperationsvereinbarung hier:
http://thueringen.de/mam/th1/tsk/medien/medienkompetenz/20170221unterzeichnete_kooperationsvereinbarung.pdf
Während der gesamten Zeit der Runden Tische wurde auch deutlich, wie schwierig es sein mag, die verschiedenen Blickwinkel in einem fachlichen Diskurs zu vereinen. Die Rolle des Datenschutzes und des Einsatzes von Medien zur Wissensvermittlung an Schulen sind sicherlich keine zu vernachlässigenden Bereiche der Medienpädagogik. Wenn diese jedoch fast ausschließlich betrachtet werden und insbesondere, wenn an die wichtigen Strukturen für die Aktive Medienarbeit, also offene Jugendarbeit, medienpädagogische Praxiseinrichtungen, Soziale Arbeit usw., immer wieder erinnert werden muss, wird ein Verständnisproblem offenbar. Und tatsächlich, selbst bei der Abschlussveranstaltung schien unklar, welcher Begriff oder welcher Teilbereich der Medienpädagogik und Medienkompetenz diskutiert wurde. Vielleicht ist es nötig, immer wieder die Grundlagen der Medienpädagogik und ihre Facetten zu skizzieren und auf diese Weise deutlich zu machen, dass sie nebeneinanderstehen und miteinander gedacht werden sollten. Auch die Rückbesinnung auf die Grundlagen der Medienpädagogik kann sinnvoll sein. Es mag dem einen oder anderen leichter fallen zu verstehen, was mit „Aktive Medienarbeit“ gemeint ist, wenn sie mit einem „handelnden Lernen“ beschrieben wird. Dabei wird rasch deutlich, was für eine erfolgreiche und umfassende Umsetzung nötig ist: Zeit, fachkundiges Personal, spezifische Zielgruppen, Kreativität und natürlich auch finanzielle Ressourcen sowie die Handhabung von Technologie.
Obwohl nicht gänzlich unkonkret, bleiben beide Papiere zurzeit vage. Auf diese Weise jedoch auch ausgestaltbar. Vielleicht liegt es in der Natur der Sache, dass die Inhalte der Papiere vielen Praxisvertreterinnen und -vertretern zu unspezifisch und einigen politisch Verantwortlichen fast zu spezifisch sind. Womöglich ist im Moment auch vielen unklar, was genau das Konzept und die Vereinbarung praktisch bedeuten. Eine Unklarheit die, wie bereits angesprochen, allein schon auf den vielfältigen Perspektiven der Fachleute und den politischen Sichtweisen beruht. Trotzdem: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Alle diejenigen, die sich mit der Medienkompetenzvermittlung befassen, haben nun eine Argumentationsgrundlage und sind aufgerufen, damit kreativ umzugehen. Die Resultate und Anwendbarkeit des baldigen Konzeptes und der Vereinbarung werden sich zeigen, wenn die ersten Projekte und Anträge, die darauf basieren, in den Startlöchern stehen. Momentan bestehen die Chance und auch der Wille, Taten folgen zu lassen und auf diese Weise auch konkrete Maßnahmen einzuläuten. So gilt mein Aufruf derzeit allen Medienpädagoginnen und Medienpädagogen Thüringens: Machen wir etwas daraus!
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