Stellungnahme für die Enquetekommission II „Krisen- und Notfallmanagement“ des Landtags NRW
Autor*innen: GMK e.V., Projektteam #DigitalCheckNRW
STELLUNGNAHME ZUM ANTRAG DER FRAKTION DER AFD IM LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN, DRS. 18/4346
„Einsetzung einer Enquetekommission „Krisen- und Notfallmanagement“ – durch die Lehren der Vergangenheit die Zukunft sicher gestalten“
konkret
„Gesellschaftlicher Zusammenhalt (Desinformation und Fake News sowie Verhinderung gesellschaftlicher Polarisierung)“
An uns gestellter Fragenkatalog als [PDF]
Zusammenfassung der Stellungnahme (Oktober 2024):
Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK) brachte zu ausgewählten der Fragen, die den Sachverständigen vorgelegt wurden, ihre Expertise ein:
Zusammenhang von Krisen und Katastrophen mit der Anfälligkeit für Desinformation und Fake News
In Krisen- und Katastrophensituationen sind Menschen besonders anfällig für Desinformation und Fake News, da Unsicherheit über Ereignisse und deren Folgen herrscht. Die aus der Unsicherheit resultierenden Informationsbedarfe treffen auf eine Flut an Daten, die schnell eingeordnet werden müssen. Mangelnde Medienkompetenz führt dazu, dass viele die lautesten oder provokantesten Meinungen annehmen, ohne deren Seriosität zu prüfen. Dies begünstigt die gezielte Verbreitung von Falschinformationen, die durch Vereinfachung und Emotionalisierung gut durchdringen. Oft wird ein vermeintlicher Experte unkritisch akzeptiert, was die Gefahr erhöht, dass Desinformation als Wahrheit wahrgenommen wird und sich weiter verbreitet. Gerade die Emotionalität beeinflusst die Betroffenen stark. Dazu kommt: Menschen neigen dazu, Informationen, die ihre Ansichten bestätigen, eher zu akzeptieren und hinterfragen diese weniger, wodurch Desinformation schwerer erkannt wird (Confirmation Bias). Zudem spielen informationstechnische Aspekte eine Rolle: Wer seine Datenspuren nicht beachtet, gibt persönliche Informationen preis, die für gezielte Desinformationskampagnen genutzt werden können. Dies geschieht beispielsweise durch Microtargeting, bei dem Desinformationen spezifisch an bestimmte Personen oder Gruppen ausgespielt werden.
Desinformation und ihre Rolle bei gesellschaftlicher Polarisierung: Profiteure und Beweggründe
Desinformationen werden häufig gezielt in emotional aufgeladenen Situationen verbreitet, um die Emotionen und Vorurteile der Menschen auszunutzen. In solchen Momenten sind Individuen anfälliger für irreführende Informationen, da Emotionen rationale Überlegungen überlagern können. Diese Desinformation fördert Hass und Spaltung in der Gesellschaft, verringert das Vertrauen in Politik und Gemeinschaft und stiftet Verwirrung. Sie verschiebt Diskurse, erschwert das Finden gemeinsamer Lösungen und führt zu hitzigen Diskussionen. Dadurch wird die Demokratie gefährdet, wissenschaftliche Erkenntnisse werden untergraben und der gesellschaftliche Zusammenhalt wird geschwächt, was es schwieriger macht, Kompromisse zu finden und sich auf Augenhöhe auszutauschen.
Strategien zur Stärkung der Resilienz gegenüber Desinformation: Maßnahmen, Akteur*innen und erfolgreiche Kooperationen
Die Stärkung der Fähigkeiten zur Erkennung und zum Umgang mit Desinformation ist entscheidend. Dazu gehört das Hinterfragen von Informationen, das Recherchieren zusätzlicher Quellen und das Prüfen von Autor*innen. Die GMK fördert seit über vierzig Jahren Medienkompetenz, Medienbildung und digitale Teilhabe – u. a. durch das Projekt #DigitalCheckNRW, das kostenlose Tests zur digitalen Medienkompetenz anbietet. Die Plattform bietet auch Methodenhandreichungen für Weiterbildner*innen sowie edukative Inhalte z. B. zu Cybersicherheit, um Nutzer*innen über Datenspuren im Netz aufzuklären und sie für die Gefahren von Falschnachrichten zu sensibilisieren. Es ist notwendig, solche Angebote sichtbarer zu machen, um ressourcenschonend an die genannten Herausforderungen heranzutreten. Außerdem müssen sich öffentlich-rechtliche Rundfunksender an aktuelle Trends anpassen und z. B. ihre Inhalte auf Plattformen wie TikTok und Instagram verbreiten, um jüngere Zielgruppen zu erreichen. Seriöser Journalismus sollte kontinuierlich verbessert werden, insbesondere durch sorgfältige Quellenüberprüfung. Technische Lösungen wie Künstliche Intelligenz zur Bekämpfung von Desinformation sind notwendig, bergen jedoch Risiken wie unbeabsichtigte Zensur und die Reproduktion von Vorurteilen. Daher ist es wichtig, dass Entwickler*innen und die Gesellschaft sich aktiv mit qualitativ hochwertigem Journalismus auseinandersetzen, um Desinformationen zu vermeiden und das Vertrauen in seriöse Medien zu stärken.
Zugang zu verlässlichen Informationen in Krisen: Strategien, soziale Medien und Lehren aus der Vergangenheit
Journalist*innen traditioneller Medien stehen vor der Herausforderung, in der heutigen Informationsflut glaubwürdig zu bleiben. Neue Aus- und Weiterbildungskonzepte sind erforderlich, da bewährte Methoden oft nicht mehr funktionieren. Der Einfluss sozialer Medien erfordert Anpassungen im Journalismus, ohne das traditionsreiche journalistische Handwerk aufgeben zu müssen. Insbesondere in Informationskriegen sollten Journalist*innen Trends kritisch hinterfragen und Falschnachrichten vermeiden, um nicht unbeabsichtigt Desinformationskampagnen zu unterstützen. Mitarbeitende in Krisenstellen sollten an Schulungen teilnehmen, während entsprechende Inhalte in die Journalistenaus- und -weiterbildung integriert werden müssen und der Qualitätsjournalismus gestärkt werden müssen. Die GMK empfiehlt außerdem insbesondere (politischen) Entscheidungsträger*innen die Teilnahme an medienpädagogischen Schulungen zur Erkennung und Abwehr von Desinformation, fordert diese auf, das Thema öffentlich zu anzusprechen und einen Maßnahmenplan zur besseren Erkennung und Abwehr zu erarbeiten. Bereits existierende regionale Weiterbildungsangebote sind oft online verfügbar oder können inhouse durchgeführt werden. Bei Bedarf kann die GMK Referent*innen empfehlen. Zudem bietet die Onlineplattform #DigitalCheckNRW die Möglichkeit, zwölf Fragen zu Desinformation zu beantworten und umfangreiche edukative Inhalte zur Vertiefung zu nutzen. Aus unserer Sicht ist ferner eine ausreichende und nachhaltige Finanzierung von Bildungsmaßnahmen zur Förderung von Medienkompetenz und digitaler Teilhabe notwendig.
Die vollständige Stellungnahme finden Sie [hier].