Medienkompetenz fördern statt soziale Medien verbieten

Zeichnung verschiedener Personen, die demonstrieren

Stellungnahme der GMK e.V. zum australischen Social-Media-Verbot aus medienpädagogischer Sicht

Der „Australian Ban“ will Kinder und Jugendliche vom Zugang zu bestimmten, bislang noch nicht genau festgelegten sozialen Medien ausschließen. Dies wirft grundlegende Fragen zu den Kinderrechten auf Schutz, Befähigung und Teilhabe in der digitalen Gesellschaft auf. Die medienpädagogische Perspektive betont die Notwendigkeit, junge Menschen nicht durch Restriktionen, sondern durch Bildung und Partizipation zu stärken. Ein Blick auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie etwa in der Stellungnahme zu „Social Media Trends“ bei Kindern und Jugendlichen von Prof. Dr. Eik-Henning Tappe, Co-Vorsitzender der GMK, im Rahmen der Anhörung der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder im Landtag Nordrhein-Westfalen dargestellt werden, zeigt, dass soziale Medien für junge Menschen weit mehr als bloße Unterhaltung sind – sie sind ein integraler Bestandteil ihrer Lebenswelten und Lernumgebungen.

Schutz: Sinn und Grenzen von Verboten

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Risiken wie Cybermobbing, problembehafteten Inhalten und Nutzungsweisen ist zweifellos wichtig. Jedoch löst ein Verbot diese Herausforderungen nicht, sondern verlagert sie lediglich auf andere, oftmals weniger regulierte Plattformen wie Messenger-Dienste. Es verkennt die vielfältigen Zwecke, die soziale Medien für junge Menschen erfüllen, und schließt sie von bedeutenden Lern- und Erfahrungsräumen aus. Kinder und Jugendliche werden zudem Mittel und Wege finden, um weiterhin Zugang zu sozialen Medien zu erhalten, z. B. durch die Nutzung von Geräten ihrer Eltern oder älteren Geschwister. Ein Verbot führt dazu, dass sie Strategien zum Umgang mit digitalen Risiken nicht erlernen und einüben können und erhöht die Hemmschwelle, sich bei Überforderung an Vertrauenspersonen zu wenden.

Zentral ist deshalb, die Plattformbetreiber stärker in die Verantwortung zu nehmen, sichere und altersgerechte Umgebungen zu schaffen. Altersnachweise durch biometrische Daten oder Ausweiskopien, wie in Australien vorgeschlagen, bergen jedoch erhebliche Risiken für den Datenschutz nicht nur der jungen Menschen und können Ziel von Hackerangriffen oder Datenverkäufen werden. Eine verantwortungsvolle Regulierung sollte auf Transparenz, Datenschutz sowie die kind- und jugendgerechte Gestaltung von digitalen Räumen setzen.

Befähigung: Förderung von Medienkompetenz

Anstatt den Zugang zu blockieren, gilt es, den Fokus auf der Befähigung junger Menschen zu legen, kompetent und verantwortungsvoll mit sozialen Medien umzugehen. Ihre Nutzung ist als gesamtgesellschaftliche Erscheinung anzusehen, die von Erwachsenen ebenso geprägt wird wie von Kindern und Jugendlichen. Medienkompetenz ist daher der Schlüssel, um Risiken zu minimieren und Chancen zu maximieren. Junge Menschen müssen u. a. lernen, Informationen kritisch zu bewerten, Datenschutzaspekte zu verstehen und sich sicher und souverän in sozialen Netzwerken zu bewegen. Dies gelingt jedoch nur, wenn sie zum einen Zugang zu den Plattformen haben und zum anderen ihre Teilnahme an medienpädagogischen Projekten der schulischen und außerschulischen Medienbildung gewährleistet wird.

Daher fordert auch Medienpädagoge Dr. Guido Bröckling: „Es braucht viel mehr Bildungsangebote zur Förderung von kritischer Medienkompetenz, also zur Sensibilisierung für potenzielle Gefährdungen, antidemokratische Inhalte oder Hass im Netz.“

Teilhabe: Zugang zur digitalen Gesellschaft

Social Media ermöglicht Kindern und Jugendlichen kulturelle und soziale Teilhabe. Plattformen wie TikTok und Discord bieten Räume für den Austausch von Ideen, kreatives Ausprobieren und das Knüpfen neuer Kontakte. In einer zunehmend digitalisierten Welt sind diese Plattformen auch wichtige Orte der Persönlichkeitsentwicklung, der Meinungsäußerung sowie der politischen und gesellschaftlichen Partizipation. Ein Verbot würde junge Menschen von diesen Chancen ausschließen und das Ziel gefährden, sie als mündige Bürger*innen zu stärken.

Fazit: Es braucht vielschichtige Lösungsansätze!

Ein Social-Media-Verbot für junge Menschen unter 16 Jahren mag als kurzfristige Schutzmaßnahme attraktiv erscheinen, greift jedoch langfristig zu kurz. Es basiert auf einer bewahrpädagogischen Haltung, die weder die Bedürfnisse und Rechte von Kindern und Jugendlichen ausreichend berücksichtigt noch die Bedeutung digitaler Plattformen als Kommunikations-, Lern- und Partizipationsräume anerkennt. Schutz ist wichtig, doch einseitige Verbote sind keine nachhaltige Lösung.

Stattdessen ist eine umfassende Strategie notwendig, die mit einem Bündel aus präventiven Maßnahmen und pädagogischen Angeboten Gefahren minimiert, Medienkompetenz stärkt und die Teilhabe von Jugendlichen an einer digital vernetzten Gesellschaft ermöglicht:

  • Förderung der Medienkompetenz: Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Eltern sollten stärker in die Lage versetzt werden, junge Menschen über die Risiken und Chancen digitaler Medien aufzuklären und sie befähigen, Medien kreativ und kritisch, selbstbestimmt und sicher, genussvoll und sozial verantwortlich zu nutzen.
  • Schaffung sicherer digitaler Räume: Plattformanbieter müssen dazu verpflichtet werden, wirksame Maßnahmen u. a. gegen Hassrede, überfordernde Inhalte sowie Faktoren und Mechanismen, die problematische Nutzungsweisen begünstigen, umzusetzen.
  • Einbeziehung der jungen Menschen: Ihre Perspektiven müssen gehört und ihre Rechte, wie sie in internationalen Dokumenten wie der UN-Kinderrechtskonvention (1989) und ihrer Erweiterung für das digitale Umfeld (2021) verankert sind, müssen bei der Regulierung digitaler Räume berücksichtigt werden.

Nur auf diesem Weg werden Kinder und Jugendliche in der digitalen Gesellschaft sowohl geschützt als auch befähigt und können altersgemäß, gleichberechtigt und diskriminierungsfrei digital und damit gesellschaftlich teilhaben.

Autor*innen: Julia Behr, Jessica Euler, Markus Gerstmann, Dr. Friederike von Gross, Renate Röllecke, Isgard Walla, André Weßel

Über die GMK:
Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK) setzt sich für die Förderung einer ganzheitlichen, umfassenden Medienpädagogik und Medienkompetenz ein. Hierbei gilt es, soziale, ethische, kulturelle, kreative und politische Aspekte mit technischen Kompetenzen und Voraussetzungen zu verknüpfen. Sie wurde 1984 als bundesweiter Zusammenschluss von Fachleuten aus den Bereichen Bildung, Kultur und Medien gegründet. Als gemeinnütziger Verein und größter medienpädagogischer Fachverband für Institutionen und Einzelpersonen ist die GMK Plattform für Diskussionen, Kooperationen und neue Initiativen.

Kontakt:
GMK e.V. | Obernstr. 24 a, 33602 Bielefeld | 0521 6 77 88 | gmk@medienpaed.de | www.gmk-net.de

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Stellungnahme als PDF

Digitale Medienkompetenz für Familien, Kinder und Jugendliche
GMK veröffentlicht Praxismethoden für die Arbeit gegen Hass im Netz